Mit Sachspenden dort helfen, wo es kein anderer tut: Das ist die Mission des Vereins Wir gegen Altersarmut. Vorsitzende Dietgard Klingberg spricht ein Jahr nach Gründung über Erfolgserlebnisse und die Herausforderung, mit Menschen in Not in Kontakt zu kommen.
Persönlich, unbürokratisch und auf Augenhöhe: Unter diesen Leitlinien agiert der Neustadter Verein Wir gegen Altersarmut. „Mehr als ein Viertel aller Rentnerinnen und Rentner in Deutschland haben ein monatliches Nettoeinkommen von weniger als 1000 Euro“, sagt Dietgard Klingberg, die dem Verein vorsteht. Das Geld reiche nur für das Allernötigste – und wenn dann ein Haushaltsgerät kaputt gehe oder das geliebte Haustier krank werde, stünden diese Menschen vor dem finanziellen Desaster.
Dort, wo staatliche Stellen nicht eintreten, setzt der Verein an. Zielgruppe sind Menschen ab 65 Jahre in prekären Situationen. „Wir helfen in einer individuellen finanziellen Krise, ohne deren Gründe zu hinterfragen. Man kann einfach kommen, sein Problem schildern und bekommt Hilfe“, erklärt Klingberg. Nur ihren Personalausweis sowie den Grundsicherungsbescheid als Nachweis müssen Kunden bringen, damit alles nach Vereinszweck abgewickelt werden kann. Mit einer Aktion bei der Tafel zu Weihnachten versuchte man im Dezember die Bekanntheit des Vereins zu steigern und bedürftige Menschen zu erreichen. Letzteres sei auch nach einem Jahr noch das Hauptproblem. „Wir hatten Anfang dieses Jahres eine ganz zähe Zeit, trotz aller Bemühungen“, räumt Klingberg ein. Aber immerhin konnte der Verein bis jetzt zehn Menschen helfen.
Thema ist schambesetzt
Über Flyer, die bei Apotheken und in Arztpraxen ausgelegt wurden, sowie über die Vorstellung des Vereins bei Einrichtungen und Behörden wie im Sozialamt bei der städtischen Abteilung Grundsicherung habe man zwar Resonanz erzeugen und ein Netzwerk aufbauen können. „Das Amt hat Kontakt zu unserer Klientel, der Datenschutz verbietet aber eine Weitergabe, was für unsere Hilfsleistungen unglücklich ist.“ Der Verein hat es auch mit einem Stand in der Innenstadt und persönlicher Ansprache versucht, „das war weniger erfolgreich“, berichtet Klingberg. Es seien nur wenige auf die Ehrenamtlichen zugekommen, und auch Gesprächsversuche hätten nicht funktioniert. „Die Leute meinen dann vielleicht, sie sähen arm aus.“ Es laufe, auch weil das Thema Altersarmut schambesetzt ist, viel über Mund-zu-Mund-Propaganda. Deshalb appelliert Klingberg: „Wenn Sie jemanden kennen, der Hilfe braucht, melden Sie sich.“
Von den Schwierigkeiten des ersten Jahres wollen sich die zehn Ehrenamtlichen im Verein aber nicht abhalten lassen. Bestärkt in ihrer Aufgabe fühlen sie sich von der großen Spendenbereitschaft in Neustadt. Die Unterstützung hat uns wahnsinnig gefreut“, sagt Klingberg. Sachspenden könne der Verein ohne entsprechende Infrastruktur wie Lagerräume allerdings nicht annehmen. Man vermittle Neuware statt Gebrauchtem, „weil wir dann sicher sein können, dass alles einwandfrei und auf Dauer funktioniert“. In der Geschäftsstelle im Mehrgenerationenhaus (Von-Hartmann-Straße 11) werden zudem jeden Montag zwischen 14 und 17 Uhr vertrauliche Beratungen angeboten, um den individuellen Hilfe- und Unterstützungsbedarf zu erfahren. Daneben ist der Verein telefonisch oder per E-Mail erreichbar.
Kooperationen eingegangen
Wenn jemand sich beispielsweise melde, weil er umziehen muss und sich keine Matratze leisten kann, werde eine neue noch am selben Tag bestellt, erzählt Klingberg von Fällen aus Neustadt. „Wir gehen auch mit in die neue Wohnung, schauen, ob noch etwas fehlt, und helfen bei Akutem unkompliziert mit Sachleistungen weiter.“ Für „weiße Ware“, also Elektro-Herde, Kühlschränke, Tiefkühltruhen, Waschmaschinen, Trockner und Spülmaschinen, ist der Verein eine Kooperation mit Händlern wie Media Markt eingegangen, die für die Vereinskunden laut Klingberg eine Vorauswahl der benötigten Geräte treffen und gegebenenfalls auch Anschluss und Altgerätemitnahme übernehmen.
Ein Jahr nach Vereinsgründung haben sich die Mitglieder laut Klingberg zusammengesetzt und die weitere Entwicklung diskutiert – denn wie am besten geholfen werden kann, soll über Ausprobieren statt über starre Strukturen herausgefunden werden. Auf der Tagesordnung standen Klingberg zufolge unter anderem die Frage nach einer Obergrenze für Spendenleistungen und nach Altersgrenzen. Des Weiteren wurde über eine Erweiterung des Angebots in die Bereiche gesellschaftliche Teilhabe und soziales Leben besprochen. Das könne beispielsweise ein Bahnticket für einen Cafébesuch sein oder ein E-Book-Reader für leidenschaftliche Leser im Altersheim. „Wir müssen schauen, ob wir schon so weit sind. Meiner Meinung nach sollten wir die Öffnung aber auf alle Fälle unterstützen“, meint Klingberg, die sich auch um entsprechende Kooperationen, etwa mit der Stadtbibliothek, bemühe.
Weitere Helfer willkommen
Ins zweite Jahr starten die Vereinsmitglieder voller Energie: „Wir haben ein super Team, es läuft“, betont Klingberg, die hofft, dass der Verein weiterwächst, damit genug Ehrenamtliche für Beratungen, Hausbesuche oder auch die Begleitung beim Einkauf mitmachen.